Utopia and Dystopia in German Literature and Film
Germanistische Utopieforschung. Von Gattungsfragen zur Praxeologie
Troels Thorborg AndersenZiel dieses Aufsatzes ist es, den Ursprung und die Entwicklung der Utopieforschung in der Germanistik zu untersuchen, um anknüpfend einige möglichen Weiterführungen dieses Forschungsfeldes abzustecken. Die Geschichte von utopischer Literatur und Theorien der Utopie wird entlang vier Haupttextquellen untersucht: Thomas Morus‘ Utopia, Ernst Blochs Geist der Utopie, Karl Mannheims Ideologie und Utopie und Robert Musils Der Mann ohne Eigenschaften. Der Aufsatz zeigt, dass die Bände Literatur ist Utopie (1978) und Utopieforschung (1982) den Anfang einer strukturierten Analyse utopischer Literatur und Theorie darstellen. Allerdings ist in der Entwicklung der Utopieforschung von den 1980er Jahren bis zu den 2010er Jahren eine Verschiebung nachzuweisen. Die Erforschung des Utopischen hat sich von der Gattungstheorie abgewandt und widmet sich nun vielmehr dem Akt des Lesens von Texten mit utopischem Inhalt. Dadurch ist die Praxis des Lesens zum zentralen Interesse der jüngsten Utopieforschung geworden. Diese Beobachtung bildet die Grundlage des Hauptarguments des Aufsatzes, denn es wird behauptet, dass das Studium geisteswissenschaftlicher Praxis, das Stephan Martus und Carlos Spoerhase „Praxeologie“ genannt haben, als Fortsetzung der Utopieforschung gedacht werden kann. Damit schließt der Aufsatz mit dem Vorschlag, dass künftige Utopieforschung die Einwirkungen und Konsequenzen künstlicher Intelligenz in der Geisteswissenschaft untersuchen sollte. Es ist zu erwarten, dass künstliche Intelligenz in der nahen Zukunft die Lösung von Aufgaben, von denen Geisteswissenschaftler traditionell zuständig waren, wie etwa Lesen, Schreiben, Dateneinsammlung, Übersetzung, etc., übernehmen wird, und dieser Umstand fordert, dass die Frage nach der gesellschaftlichen Bedeutung geisteswissenschaftlicher Praxis erneut gestellt wird.
German Utopian Studies. From Questions of Genre to Praxeology
Troels Thorborg AndersenThe aim of this article is to examine the origin and development of Utopieforschung (utopian studies) within German-speaking literary studies and to sketch out some directions in which this research tradition could be continued. The history of utopian literature and theories of utopia is being reviewed along four main text sources: Thomas More’s Utopia, Ernst Bloch’s Geist der Utopie, Karl Mannheim’s Ideologie und Utopie, and Robert Musil’s Der Mann ohne Eigenschaften. The article shows that the volumes Literatur ist Utopie (1978) and Utopieforschung (1982) are to be considered the starting point of a structured analysis of utopian literature and theory. However, in the history of German utopian studies from the 1980s to the 2010s, questions about utopian literature and theory have gradually moved away from mere genre characterization and have lately been directed towards the act of reading utopia. Thus, the praxis of reading has become a central interest of contemporary utopian studies. This observation leads to the article’s main argument that the study of the praxis of Geisteswissenschaft (humanities), for which Stephan Martus and Carlos Spoerhase have proposed the label Praxeologie, should be considered a fruitful continuation of Utopieforschung. Hence, this article concludes by proposing that future utopian studies should consider the effects and consequences of artificial intelligence gradually taking over tasks traditionally assigned to academics of the humanities such as reading, writing, data collection, translation, etc.